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Heute ist Weltfrauentag 2021. Gemeinsam mit den Talent Management Experten von SumTotal Systems haben wir uns die Entwicklungen der letzten 12 Monate verfolgt, Studien und Analysen gewälzt, um festzustellen, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsleben hatte und hat.

Ungleichgewicht wirtschaftlicher Folgen

Die Pandemie schafft sicher keine neuen Ungleichheiten. Sie macht diese jedoch deutlicher sichtbar und kann sie verstärken. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen sind es vor allem Frauen, die überdurchschnittlich unter den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie leiden. Das betrifft sowohl arme wie auch in reiche Regionen[i]. Frauen sind stärker von Stellenabbau und Lohnkürzungen betroffen, denn die Mehrzahl der Mitarbeiter in besonders von den Lockdown-Maßnahmen betroffenen Wirtschaftszweigen, wie Freizeit, Gastronomie, Einzelhandel, sind weiblich. Auf der anderen Seite kämpfen aber gerade Frauen an vorderster Front gegen das Virus und sind damit besonders gefährdet, wie eine Auswertung der OECD zeigt. Rund 70% der Beschäftigten im Gesundheitswesen weltweit und sogar 95% der Beschäftigten in der Langzeitpflege sind weiblich[ii].

Doppelbelastung für Frauen

Auch Frauen, die nicht in den auffallend stark betroffenen Wirtschaftszweigen arbeiten, sind durch Maßnahmen wie Lockdown und Home-Schooling besonders betroffen. Eine im Dezember 2020 veröffentlichte Studie[iii] zeigt, dass die Aufgabeverteilung im Haushalt noch immer vorwiegend klassischen Rollenbildern folgt – auch wenn beide Partner einer Beziehung berufstätig sind. In der COVID-Krise lastet die Haus- und Familienarbeit mehr denn je vor allem auf den Schultern der Frauen. 69 Prozent der Frauen gaben an, dass sie generelle Hausarbeit erledigen. Lediglich elf Prozent der Männer behaupten dies von sich. Beim Home-Schooling und der Kinderbetreuung zeigt sich ein ähnliches Bild. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass die dabei anfallenden Aufgaben von Frauen übernommen werden und nur 13 bis 15 Prozent der Männer übernehmen diese Aufgaben. Dass es so viele berufstätige Frauen trotzdem in den letzten 12 Monaten geschafft haben Beruf und Zusatzanforderungen zu meisten, ist ein Beleg für ihre besondere Resilienz und Multitasking-Fähigkeiten. Diese kann auch für Unternehmen und Karriereperspektiven einen wertvollen Vorteil darstellen.

Krise belegt Führungsqualitäten

Es gab zahlreiche Anekdoten darüber, dass weibliche Staatsoberhäupter besser mit der Krise umgehen konnten. Nun belegen auch Forschungsergebnisse, dass die Anzahl der Erkrankungen und Todesfälle in von Frauen geführten Ländern systematisch niedriger waren[iv]. Daraufhin beschloss ein Beratungsunternehmen in seiner globalen Datenbank nach Mustern zu suchen, wie männliche und weibliche Führungskräfte in Organisationen auf die Krise reagieren. Die Daten für die Analyse stammen aus Bewertungen von über 60.000 Führungskräften (40.187 Männer und 22.603 Frauen)[v]. Bei 13 der 19 Kompetenzbewertungen wurden Frauen positiver bewertet. Insbesondere bei zwischenmenschlichen Fähigkeiten wie „Inspiration und Motivation“, „klare Kommunikation“, „Zusammenarbeit / Teamarbeit“ und „Beziehungsaufbau“, zeigten Frauen stärkere Kompetenzen. Noch interessanter ist die Erkenntnis, dass sich der positive Bewertungsvorsprung der weiblichen Manager bei fast allen Führungsqualitäten im Verlauf der Krise noch verstärkte als man die Zahlen von vor und während der Pandemie verglich.

Diversitäts-Defizite

Ungeachtet von mittlerweile klar belegten Vorteilen für Diversität in der Führungsebene[vi], wird diese noch immer von Männern dominiert. Laut KfW Research belegen in Deutschland sogar noch weniger Frauen in Führungspositionen als im internationalen Durchschnitt. Sie besetzen hierzulande lediglich 28% der mittleren bis oberen Führungspositionen. Der EU-Durchschnitt liegt bei 31% und in den USA übersteigt der Anteil immerhin knapp 40%. In den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen lag der Frauenanteil laut Angaben von Statista im Jahr 2020 bei nur 11,5%[vii].  Das Ringen um Chancengleichheit, mit dem Ziel mehr Diversität in Führungsebenen sicherzustellen dauert bereits Jahrzehnte an. Die Vereinten Nationen haben “Gender Equality” schließlich als eines der 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung eingestuft. Das UN Global Compact Netzwerk stellt verschiedene Instrumente und Publikationen für Unternehmen bereit, mit denen Gleichstellung gefördert werden kann[viii].

„Gender Pay Gap“ als Ansatzpunkt

Mit umfassenden Sozialleistungen, vergleichsweise langem Mutterschaftsurlaub und einem weiblichen Staatsoberhaupt hat Deutschland generell einen recht guten Ruf in Punkto Gleichberechtigung. Umso überraschender ist es, dass neben dem geringen Anteil von Frauen in oberen Führungsebenen auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle eines der größten in der Eurozone ist. In Italien beispielsweise verdienen Frauen durchschnittlich fünf Prozent weniger als Männer. In Deutschland beträgt dieses Defizit immer noch fast 20 Prozent.[ix]
Das übergreifende Thema geschlechtsspezifischer sozialer und beruflicher Ungleichheit lässt sich sicher nicht kurzfristig zu lösen. Die ungleiche Bezahlung bietet aber einen guten Ansatzpunkt, um gezielt gegen Benachteiligungen vorzugehen. Island führte 2018 die weltweit erste Richtlinie ein, nach der Unternehmen und Institutionen mit mehr als 25 Mitarbeitern nachweisen müssen, dass sie Männer und Frauen für einen gleichwertigen Arbeitsplatz gleichermaßen bezahlen. Umgesetzt wird die Richtlinie durch ein Jobbewertungstool für den „Equal Wage Management Standard“. Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt in Island waren so positiv, dass eine Zertifizierung nach dem Standard seit 2020 verpflichtend ist. Nicht zertifizierte Unternehmen können mit empfindlichen Geldstrafen belangt werden.[x]

[i] https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/policy_brief_on_covid_impact_on_women_9_april_2020.pdf
[ii] https://economictimes.indiatimes.com/magazines/panache/looking-at-the-pandemic-through-gender-lens-women-are-facing-the-brunt-of-covid-19-with-more-job-cuts-less-pay/articleshow/75735303.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst
[iii] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2020/dezember/corona-traditionelle-aufgabenverteilung-im-haushalt-belastet-frauen-stark
[iv] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3617953
[v] https://hbr.org/2020/12/research-women-are-better-leaders-during-a-crisis
[vi]https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/Business%20Functions/Organization/Our%20Insights/Delivering%20through%20diversity/Delivering-through-diversity_full-report.ashx
[vii] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180102/umfrage/frauenanteil-in-den-vorstaenden-der-200-groessten-deutschen-unternehmen/
[viii] https://www.globalcompact.de/de/newscenter/meldungen/Einblicke-in-die-Debatte-zum-Gesetz-zur-Frauenquote-und-Unterstuetzungsangebote-des-UN-Global-Compact.php
[ix] https://www.dw.com/en/germanys-gender-pay-gap-shrinks-but-still-higher-than-eu-average/a-55860947
[x] https://hbr.org/2021/01/how-iceland-is-closing-the-gender-wage-gap?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+harvardbusiness+%28HBR.org%29